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Berechnung von Wahrscheinlichkeit Forschende halten Corona-Ursprung im Labor für möglich

Stammt das Coronavirus aus einem chinesischen Labor? Jedenfalls sollte diese Möglichkeit näher in Betracht gezogen werden, mahnen Forschende nun.
Foto: Aleksandr Zubkov / Getty Images

Die Pandemie ist vorbei – Diskussionen und Spekulationen darüber, wie genau sie begonnen haben könnte, noch lange nicht. Nun stellen Forschende in der Fachzeitschrift »Risk Analysis« eine Analyse vor, für den sie die Wahrscheinlichkeit eines unnatürlichen Ursprungs für das Virus in einem Labor untersucht haben. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ein solcher wahrscheinlicher sein könnte als ein natürlicher.

Die meisten Untersuchungen hätten sich auf einen zoonotischen Ursprung konzentriert, kritisieren die Forschenden in ihrer Studie. Eindeutige Beweise, wie etwa ein tierischer Zwischenwirt, würden jedoch fehlen.

Nun haben die Wissenschaftler aus den USA und Australien eine Methode zur Risikobewertung angewendet, um anhand bestimmter, festgelegter Kriterien die Wahrscheinlichkeit für einen natürlichen bzw. unnatürlichen Ursprung zu berechnen. Grundlage waren bisher veröffentlichte Literatur und andere öffentlich zugängliche Informationen wie Daten zu Sterbefällen.

Ihr Ergebnis: Beweisen könnten sie nicht, dass das Virus in einem Labor entstanden ist. Die Risikobewertung hätte jedoch gezeigt, dass diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden könne und sogar etwas wahrscheinlicher wäre als die eines natürlichen Ursprungs.

Entwickelt wurde die angewandte Methode eigentlich, um natürliche Epidemien von solchen zu unterscheiden, die auf vorsätzliche biologische Angriffe zurückzuführen sein könnten. Die Forscher konzentrierten sich nun insbesondere auf die Möglichkeit eines Laborunfalls oder -lecks als potenziellen unnatürlichen Ursprung.

Methode nicht für Pandemien entwickelt

Kriterien, die in unterschiedlicher Gewichtung in die Bewertung einflossen, waren beispielsweise die Konzentration in der Umwelt oder die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Jedem der Punkte wird auf Basis der Datenlage ein Wert zwischen 0 und 3 zugewiesen, wobei 0 für »keine Daten« steht, 1 für »ungewiss«, 2 für »offensichtliche Auffälligkeiten« und 3 für »eindeutige Hinweise«, heißt es in der Studie. Zwei Forscher hätten die Kriterien unabhängig voneinander bewertet, anschließend seien sie von zwei weiteren Fachleuten überprüft worden. Mit diesen Werten wurde dann weiter gerechnet.

Die Forschenden selbst schreiben, dass es einige Einschränkungen zu beachten gäbe. Etwa, dass die Methode bisher vor allem auf kleinere Ausbruchsszenarien angewendet wurde und nun erstmals auf eine Pandemie. Manche Kriterien, wie etwa die ungewöhnlich schnelle Ausbreitung, seien daher in der Regel höher bewertet worden. Das habe zu einer insgesamt höheren Punktzahl in der Wertung führen und auch Auswirkungen auf die Schlussfolgerung haben können. Für Laborunfälle sei die Methode außerdem ursprünglich gar nicht entwickelt worden. Dazu kommt, dass die Bewertung der einzelnen Kriterien subjektiv gefärbt sein könnte, was, so heißt es in der Studie, trotz Ansätzen zur Minimierung nicht vollständig ausgeschlossen werden könne.

China selbst hatte Mutmaßungen darüber, dass das Virus in einem Labor entstanden sein könnte, stets zurückgewiesen. Im Sommer vergangenen Jahres wurde ein Bericht des US-Geheimdienstes öffentlich, wonach keine Belege für die Laborthese gefunden worden seien.

Zwei »Science«-Studien etwa hielten die These bereits 2022 für unwahrscheinlicher als einen natürlichen Ursprung. Die Untersuchungen hätten gezeigt, »dass es einfach nicht plausibel ist, dass dieses Virus auf eine andere Weise als durch den Handel mit Wildtieren auf dem Markt von Wuhan eingeschleppt wurde«, sagte einer der beteiligten Wissenschaftler, Michael Worobey von der University of Arizona.

Der Wildtiermarkt im chinesischen Wuhan war schon früh in der Pandemie in den Fokus geraten. In der aktuellen Studie bewerten die Forschenden den Markt unter der Kategorie »Hohe Konzentration des biologischen Arbeitsstoffs in der Umwelt« mit einem Punkt – »ungewiss«.

Untersuchungen zum Ursprung der Pandemie waren zuletzt ins Stocken geraten, auch weil die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen den Widerstand Chinas keine weiteren Studien in dem Land  durchführen kann.

ani