Der Autor CJ Hopkins vergleicht die Corona-Politik mit jener der Nazis. Jetzt ist er von der deutschen Justiz wegen der Verbreitung von Nazi-Propaganda verurteilt worden

Weil er Bilder von Covid-Masken twitterte, die ein Hakenkreuz verdecken, hat der amerikanische Satiriker einen Strafbefehl erhalten. So deplatziert seine Vergleiche auch sein mögen – das Verfahren gegen ihn wirft Fragen auf.

Marc Neumann, Washington DC 4 min
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«Zu alt, um in Moabit einzusitzen»: CJ Hopkins sieht sich als Opfer eines repressiven Systems.

«Zu alt, um in Moabit einzusitzen»: CJ Hopkins sieht sich als Opfer eines repressiven Systems.

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Er trägt Pferdeschwänzchen und eine runde Brille, während des Zoom-Gesprächs dreht er Zigaretten und trinkt Espresso. Christopher «CJ» Hopkins hat auch schon gemütlichere Zeiten erlebt. Denn laut der Staatsanwaltschaft Berlin ist der Autor ein Nazi-Propagandist. Im August hat ihn das Amtsgericht Tiergarten per Strafbefehl zu 3600 Euro Busse oder 60 Tagen Gefängnis verurteilt. Das will der 62-Jährige anfechten: «Wir ziehen vor Gericht», sagt er. «Und wenn wir verlieren, dann gehen wir in Berufung, wenn nötig bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ich gehe nicht ins Gefängnis, denn ich habe nichts Unrechtes getan und bin zu alt, um in Moabit einzusitzen.»

Auslöser für den Strafbefehl gegen Hopkins sind zwei Tweets vom August 2022. «#Masken sind Symbole der Ideologiekonformität» besagte einer; der andere zitierte eine Aussage des deutschen Gesundheitsministers Karl Lauterbach in der «Welt»: «Von der Maske geht immer auch ein Signal aus». Nicht die Worte waren Stein des Anstosses, sondern dass Hopkins sie mit einem Bild einer medizinischen Maske untermalte, hinter der ein Hakenkreuz hervorschimmert.

Er wittert Parallelen zu Hitlers Ermächtigungsgesetz

Hopkins ist Amerikaner, lebt aber seit 20 Jahren mit seiner Frau in Berlin. Als Satiriker und Autor hat er einen Hang zu überzogenen Nazi-Vergleichen. Das Bild, das er zu Karl Lauterbachs Zitat postete, ziert auch sein 2022 erschienenes Buch «The Rise of the New Normal Reich» – eine Abrechnung mit dem globalen Kapitalismus und der Corona-Politik, deren Titel auf William Shirers Geschichtsbuch «Aufstieg und Fall des Dritten Reiches» anspielt. Wie andere Querdenker vergleicht er die Einschränkung der Verfassungsrechte während der Corona-Krise mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten von 1933. Seine Tweets, so versichert er, seien Warnungen vor «verfassungswidrigen Bestrebungen» wie der Maskenpflicht gewesen.

Man kann solche Vergleiche geschmacklos, geschichtsvergessen und verharmlosend finden, justiziabel sind sie nicht. Wer Hakenkreuze verbreitet, kann sich jedoch gemäss Paragraf 86 des deutschen Strafgesetzbuches strafbar machen. Genau das war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Berlin der Fall, als CJ Hopkins seine Tweets absetzte. Er habe, so heisst es im Strafbefehl, bewusst «Kennzeichen einer verbotenen nationalsozialistischen Organisation verbreitet» – in propagandistischer Absicht.

«Das ist wahnwitzig», ereifert er sich, damit werde er in einen Topf mit Gruppierungen wie «Sturmbrigade 44» geworfen. Er publiziere seit 30 Jahren als Theaterautor und politischer Satiriker, habe in der New Yorker Anarchistenszene gegen das WEF protestiert. Er sei gewiss kein Nazi und propagiere mitnichten nationalsozialistisches Gedankengut. Auch mit Leuten wie dem Pink-Floyd-Mitgründer Roger Waters habe er nichts zu tun (Waters ist ebenfalls angeklagt worden, weil er während eines Konzerts eine Nazi-ähnliche Uniform trug, zudem bewegt er sich im antisemitischen Dunstkreis von BDS). Wäre das anders, hätte er ein Problem mit seiner Frau, einer Jüdin.

Eine Durchsicht von Hopkins’ unter dem Titel «Consent Factory» erschienenen Essays bestätigt dies. Sie rückt den Autor allerdings auch in die Nähe querdenkerischen und verschwörungstheoretischen Gedankenguts: Hopkins spricht bei Themen wie Maskenpflicht und Corona von «autoritären und totalitären Ideologien», «die nach Kontrolle streben und Dissens wie kritische Stimmen unterdrücken, zensieren und verstummen lassen».

Hakenkreuze sind tabu – aber es gibt Ausnahmen

Ironischerweise scheint die Staatsanwaltschaft Berlin diese verschwörungstheoretische Weltsicht mit ihrem Strafbefehl eher zu bestätigen. Hopkins drückt es so aus: «Die Strafverfolgung ist die Quittung für meinen Dissens und soll an mir ein Exempel statuieren.» Sicher ist, dass die Verbreitung von Hakenkreuzen auch in Deutschland nicht in jedem Fall justiziabel ist. Wenn es der «staatsbürgerlichen Aufklärung» dient, ist die Verbreitung des Nazi-Symbols erlaubt, ebenso zur «Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen». Ausnahmen gibt es auch in der Kunst, der Wissenschaft oder der «Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens».

Wohl tragen Hopkins’ Tweets nichts zur Wissenschaft bei. Aber es ist durchaus denkbar, dass er, wie er betont, vor verfassungswidrigen Bestrebungen warnen wollte. Dies umso mehr, als die Corona-Politik auch von Juristen infrage gestellt wird. Hopkins selber betrachtet seine Tweets zudem als satirische Werke der Kunst oder als zeitgeschichtliche Beiträge. Dass Rammsteins «Deutschland»-Video – in dem unter anderem SS-Uniformen gezeigt werden – legal ist, seine Tweets aber nicht, leuchtet ihm jedenfalls nicht ein.

Interessant ist zudem, wie Hopkins ins Visier der Justiz geriet. Wer seine Posts gemeldet hat, ist nicht bekannt. Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die Meldung an die Berliner Staatsanwaltschaft vom Hessen Cyber Competence Center des Hessischen Innenministeriums ausging. Dieses wiederum erklärt auf Anfrage, man sei aufgrund einer Meldung der staatlichen Anlaufstelle «HessenGegenHetze» aktiv geworden, die sich um Meldungen von «Betroffenen sowie Zeuginnen und Zeugen von Hate Speech» kümmere. Falls Meldungen «potenziell gefährdend, strafrechtlich relevant oder extremistisch eingestuft» würden, leite man diese weiter.

Jerry Seinfeld und der «Soup Nazi»

Hopkins hat das Gefühl, in Deutschland schwärzten anonyme Denunzianten politisch unliebsame Mitbürger bei der Justiz an, um sie zum Schweigen zu bringen. Vielleicht ist aber auch alles ein grosses transatlantisches Missverständnis. Im Geiste ist CJ Hopkins ein Amerikaner geblieben, auch nach 20 Jahren Berlin. Die Redefreiheit, festgehalten im ersten amerikanischen Verfassungszusatz, wonach kein Staatsorgan dieses Recht beschneiden darf, ist für ihn sakrosankt.

Er ist in einem Land aufgewachsen, in dem ein lockerer Umgang mit Begriffen und Symbolen des Nationalsozialismus gepflegt wird. Die jüdischen New Yorker Komiker Jerry Seinfeld und Larry David hatten keine Skrupel, in einer der berühmtesten «Seinfeld»-Episoden den «Soup Nazi» in die Pfanne zu hauen. Der rechtskonservative Radio-Star Rush Limbaugh bezeichnete Feministen ungestraft als «Feminazis». Umgangssprachlich wird in den USA «Nazi» zuweilen als Suffix verwendet.

In Deutschland gibt es andere Sensibilitäten, aber auch hier ist es fraglich, ob man einen Autor wegen zweier Tweets mit Hakenkreuz-Bildern als Nazi-Propagandisten verurteilen darf. Eines ist aber schon heute klar: Hopkins will Deutschland in absehbarer Zeit verlassen, denn: «Bleibe ich in Deutschland, kann ich nicht mehr in den Spiegel schauen.»